Wann KI (k)eine Hilfe ist

Schreiben und Texten

Meinen vorherigen Kolumnenbeitrag hatte ich damit abgeschlossen, dass mancher Kommunikator für Recherche und Textgestaltung die Vorzüge der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) für sich entdeckt hat. Einfach ein paar Stichworte eingeben, schon schreibt einem dieses Phänomen KI ganze Texte, Pressemitteilungen, Fachvorträge oder Kochrezepte. Zumindest glauben das viele.

Ein Kollege gab sogar neulich bei Linkedin an, dass er keine Rede mehr ohne KI-Tools schreibe und so aus einer guten Rede ganz einfach eine großartige Rede mache. Da frage ich mich: Was hat er gemacht, als es KI noch nicht gab? Ein anderer Kollege betonte an gleicher Stelle, durch KI würden Arbeitsplätze in der Kommunikation, also in Journalismus und Redaktionen ebenso wie in der PR, wegfallen. Dem würde ich genauso wenig zustimmen wie der Sache mit der Rede von „gut“ zu „großartig“.

KI ist so ein ulkiger Hype, wie wir ihn schon beim Autonomen Fahren hatten – das war mal ganz superaktuell, heute stecken wir, glaube ich, noch ähnlich in den Kinderschuhen wie damals. Oder bei der Elektromobilität, wo mittlerweile auch bisherige Befürworter und, zumindest in meinem Kundenkreis, viele Ingenieure einräumen, dass man sich über die hohen Anschaffungskosten, die unklare CO₂-Bilanz und das Entsorgungsproblem noch nicht genug Gedanken gemacht habe und auch deswegen die Verkaufszahlen stagnieren.

Vom Hype (was übrigens so viel wie Hysterie oder hysterisch bedeutet) zurück auf den Boden der Tatsachen – das könnte auch der KI bevorstehen. Dann nämlich, wenn ich als User alle blinde und unreflektierte Begeisterung einmal beiseitelasse und zu differenzieren beginne zwischen den wirklichen Vorteilen und möglichen Risiken und dabei den eigenen Aufwand ebenso bedenke wie die Belastbarkeit der Ergebnisse.

Die Vorteile von KI

KI ist vor allem eines, nämlich schnell. In der technischen Entwicklung, bei der Schaffung von Prototypen und in ähnlichen wissenschaftlichen und industriellen Einsatzbereichen spart KI wahnsinnig viel Zeit. Wo früher in zig Stunden Crash-Tests durchgeführt oder Materialien und Werkstoffe unterschiedlich kombiniert wurden, macht das eine KI-gestützte Simulation in Sekunden. Gleiches geschieht in der Kommunikation: Ich werfe alle Bestandteile für mein Mailing oder meine Pressemitteilung bei ChatGPT und Co. in den Prompt – also in meine Anfrage respektive den Auftrag an die KI – und nach wenigen Sekunden habe ich einen fertigen Text.

Was aber so natürlich nicht stimmt. Denn erstens ist der Text dann noch nicht fertig (so wie nie ein Text im ersten Wurf fertig ist, Redigieren gehört zum Schreiben dazu). Und zweitens muss ich den Prompt sehr klar und konkret und vollständig füllen. Die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende im Deutschen Journalistenverband (DJV), Andrea Hansen, formuliert es so: „Das, was eine KI an Ergebnissen liefern kann, kann nur so gut sein wie das, was Sie ihr als Lernmaterial angeboten haben.“

Ich finde das nicht schlimm, man muss es nur einfach wissen. Entweder stecke ich viel Zeit in die Recherche und Formulierung eines wirklich guten Textes, oder ich stecke viel Zeit in das Briefing der KI. In jedem Fall braucht ein guter Text auch weiterhin Zeit. Deshalb wird es auch weiterhin Texter, Redakteure und PR-Berater geben. Oder wie Andrea Hansen es ausdrückt: „Bislang hat kein Medium ein anderes verdrängt. Das Buch ist ja auch noch da.“ KI wird keine Journalisten, Texter oder Redenschreiber den Arbeitsplatz kosten – zumindest keine guten.

Die (rechtlichen) Risiken von KI

KI hat unglaublich viele Einsatzbereiche: Industrie, Forschung, Administration … alles gut, alles richtig. Der Einsatz in der Kommunikation ist ein klein wenig anders, denn hier – bei Texten ebenso wie bei Bildern – generiert KI ein neues Werk mit immer wieder unterschiedlicher Schöpfungshöhe. Da KI kein menschliches Wesen ist, kann sie kein Urheberrecht für sich geltend machen. Wohl aber greift sie, um das neue Werk zu schaffen, auf andere Werke zurück, und die wiederum sind urheberrechtlich geschützt.

Als Nutzer weiß ich aber nicht – vor allem, wenn ich nicht sorgfältig und mit entsprechend viel Zeit (!) arbeite –, welche Teile des neuen Werks geschützt sind. Ist die vorgeschlagene Formulierung vielleicht ein Zitat aus der Doktorarbeit eines ehemaligen Politikers? Oder ein vor langer Zeit geschützter Werbe-Claim? Hat KI für das neue Bild Abbildungen mit Menschen verwendet, deren Persönlichkeitsrechte dadurch eventuell verletzt werden?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich will kein Spielverderber sein. KI kann wirklich viel, zum Beispiel eine Fülle von Gedanken oder Inhalten viel schneller in eine brauchbare Struktur bringen, als wir Journalisten und PR-Leute das können. Das ist aber kein Endergebnis, sondern ein Zwischenschritt. Die Gefahr ist groß, dass Menschen (nicht nur in der Kommunikationsbranche) als Ergebnis sehen, was nur eine Hilfestellung sein kann. Und am Ende steht immer das Nachprüfen, Gegenchecken und Gegenlesen. Die Endkontrolle muss durch einen Menschen stattfinden. Auch das kostet Zeit, bewahrt aber vor Fehlern und rechtlichen Problemen und kann dann wirklich aus einem guten Text einen großartigen machen.

Ein guter Text braucht Zeit: für Recherche oder Prompt oder beides

Denn einen Teil des vor allem zeitlichen Aufwands habe ich oben schon geschildert. Hinzu kommt die Notwendigkeit von Weiterbildungen, um mit KI auch wirklich gut arbeiten und schnell brauchbare Ergebnisse erzielen zu können. Wobei Weiterbildung respektive Fortbildung grundsätzlich etwas Positives ist. Ich bin noch mit Telex in den Redaktionen groß geworden, mit Redaktionsschluss um halb fünf und Schwarz-Weiß-Fotos in der Zeitung. Seitdem hat sich viel getan. Seit 22 Jahren bin ich jetzt selbstständig – da muss ich schon aufpassen, dass ich nicht einstaube. Neuerungen wie KI und deren technische Weiterentwicklung können durchaus Ansporn sein.

Wie oben geschrieben, hat KI auch Grenzen und Risiken: bei der Anwendung, bei rechtlichen Fragen und eben auch bei den eigenen Qualitäten der User. KI kann viel, aber nicht alles, und sie kann nur so gut sein, wie ich es vorgebe. Mein alter Grundsatz „Das Ergebnis kann nie besser sein als das Briefing“ bewahrheitet sich auch hier. Also Aufwand am Beginn. Und dann noch die Kontrolle am Ende. Denn wie geschildert kann KI in einem irren Tempo alles Mögliche zusammentragen, was Basis für einen guten Text sein kann – Menschen bleiben aber weiterhin gefragt. Oder wie Ralf Otte, Professor für Automatisierungstechnik und KI an der Technischen Hochschule Ulm, im „Handelsblatt“ schreibt: „Wer glaubt, dass KI die Intelligenzleistungen von Menschen überflügeln wird, irrt gewaltig.“

KI kann nicht Kreativität

Denn KI kann vieles, aber KI kann nicht Kreativität. KI bedient sich aus dem, was wir ihr als Futter bereithalten. Dieses Futter in Windeseile analysieren, aufbereiten und Zusammenhänge herstellen, das kann KI zweifellos. Da ist sie eine große Hilfe, im Organisatorischen ebenso wie im Redaktionellen. Aber so richtig kreativ sein? Aus dem Nichts durch Nachdenken und Muße auf einen formidablen Gedanken kommen? Das bleibt uns Menschen vorbehalten. Arbeitsplätze und Aufträge, die genau das machen, werden mittelfristig sicher nicht wegfallen.

Der „Zeit“-Journalist Ulrich Schnabel schreibt in seinem großartigen Buch „Muße. Vom Glück des Nichtstuns“, dass Müßiggang „aller großen Ideen Anfang“ sei. „Schöpferische Einfälle kommen uns häufig gerade dann, wenn wir sie nicht herbeizuzwingen versuchen, sondern die Gedanken schweifen lassen.“ Vor einiger Zeit hatte ich an dieser Stelle geschrieben, dass solche schöpferischen Einfälle uns gerne beim Chillen auf dem Sofa kommen, unter der Dusche oder auf dem Klo. Ob KI das auch kann? Ich glaube nicht.

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