Wie BASF Kommunikation und Government Relations zusammendenkt

BASF

Frau Schwab-Hautzinger, bei BASF sind Corporate Communications und Government Relations in einer Abteilung zusammengefasst. Sie leiten diese Abteilung. Warum ist diese Struktur für BASF sinnvoll?

Schwab-Hautzinger: Viele Themen bei uns in der Unternehmenskommunikation haben auch einen politischen Aspekt. Die vergangenen zwei Jahre waren von geopolitischen Konflikten geprägt, die sich stark auf das Geschäft und die Strategie von BASF ausgewirkt haben. Hier ist es hilfreich, unsere Position gegenüber verschiedenen Stakeholdern aus einer Hand und abgestimmt erklären zu können.

Wie ist Ihre Abteilung im Detail aufgebaut?

Ich bin mit meiner Abteilung dem Corporate Center zugeordnet, das verschiedene Governance- und Steuerungsaufgaben in der BASF-Gruppe übernimmt. Wir sind unter anderem verantwortlich für die Entwicklung von Standards zur Unternehmenskommunikation und Advocacy und darüber hinaus für die inhaltliche Steuerung und Positionierung des Unternehmens. Zusätzlich verantworten wir die Umsetzung der globalen Corporate-Maßnahmen wie die Medienarbeit, betreuen die digitalen Kanäle wie die Website und Social Media und machen die weltweite Mitarbeiterkommunikation und die Corporate Advocacy-Arbeit. Es gibt zusätzlich einen Bereich Global Business Services, in dem ebenfalls Kommunikatoren arbeiten, mit denen wir Veranstaltungen oder die Kampagnen-, Content- und Magazin-Erstellung umsetzen. Die weltweite Produkt- und Kundenkommunikation der einzelnen Geschäftsfelder und die interne Kommunikation der Operating Divisions und anderer Einheiten liegt in der Verantwortung der jeweiligen Teams.

Wie viele Personen gehören zu Ihrem Team?

Mein Team arbeitet an drei Standorten: Ludwigshafen, Brüssel und Berlin. Im globalen Corporate-Center-Team sind wir etwa 70 Personen. Weltweit haben wir fast 700 Kommunikatoren und Advocacy-Verantwortliche in unserer ComCommunity.

Wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen? Welche Aufgaben laufen bei Ihnen zusammen?

Wir starten montags mit einem Leitungsteam-Meeting und blicken auf die Woche. Über einen Topic-Planner koordinieren wir Kernthemen, die wir proaktiv spielen wollen. Wir schauen außerdem, welche Events anstehen. Was passiert extern, auf das wir uns vorbereiten müssen? Die zwei Jahre seit Beginn des Ukraine-Kriegs standen vor allem unter dem Einfluss von Krisenkommunikation sowie von den Folgen der Energiekrise und der Nachfrageschwäche. Als Unternehmen haben wir Kostensparprogramme und eine neue Art der differenzierten Steuerung der Geschäftsbereiche angekündigt. Wir arbeiten daran, das Unternehmen proaktiv zu positionieren – etwa im Bereich Nachhaltigkeit und erklären, was BASF im Klimaschutz oder in der Energietransformation macht. Dazu kommt die Finanzberichterstattung. Dieses Jahr beschäftigte uns zudem der CEO-Wechsel von Martin Brudermüller zu Markus Kamieth.

Sie sprechen den CEO-Wechsel an. Wie viel Zeit nimmt die Kommunikation für den Vorstand in Anspruch?

Ein großer Teil meiner Arbeit entfällt auf die Unterstützung des Vorstands. Vor besonderen Anlässen und in Issue-Situationen nimmt das sehr viel Raum ein. Als Abteilung erstellen wir für den Vorstand zahlreiche Briefings für politische Termine und unterstützen bei der internen und externen Kommunikation.

Wenn man ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags schaut, fehlt Ihr Name beim Eintrag von BASF. Wäre es trotzdem richtig, Sie als oberste Lobbyistin Ihres Unternehmens zu bezeichnen?

Nein, das wäre nicht die richtige Bezeichnung. So sehe ich mich nicht. Ich leite den Bereich, aber ich bin nicht in Berlin oder Brüssel diejenige, die selbst die Gespräche mit den politischen Entscheidern führt. Dafür haben wir den Leiter Corporate Government Relations, die Leiterinnen der Büros in Berlin und Brüssel sowie die Kolleginnen und Kollegen, die Advocacy-Themen verantworten.

Was sind bei Ihnen typische Themen, die für Public Relations und Government Relations zusammengedacht werden müssen?

Die Energiepolitik und Energietransformation sind Themen, die für uns sehr wichtig sind. Die chemische Produktion ist unglaublich energieintensiv. Wir waren zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs mit einem Anteil von vier Prozent der größte industrielle Gasverbraucher in Deutschland – für die Energieerzeugung und auch als Rohstoff. Zur Transformation des Unternehmens gehört es, auf andere Energie- und Rohstoffquellen umzustellen. Wir haben uns zum Beispiel als Anteilseigner in eigene Windparks eingekauft. In der Produktion müssen wir komplett neue Anlagen entwickeln, weil die bisherigen mit fossiler Energie wie Erdöl und Erdgas betrieben werden. Das müssen wir extern und intern erklären. Es spielen aber auch die politischen Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Unsere Experten im Team beobachten die aktuellen Entwicklungen. Sie werden auch aus der Politik angefragt, um zu erläutern, was die Sicht von BASF ist. Das müssen wir übersetzen für andere Zielgruppen.

Inwieweit nutzen Sie Medien und Öffentlichkeit, um Ihren Standpunkt klarzumachen und politisch Druck auszuüben?

Wir werden regelmäßig von Medien gefragt, was unsere Einschätzung zu bestimmten politischen Entscheidungen und Prozessen ist. Es ist klar, dass Politiker auch Medien konsumieren, die öffentliche Meinung beobachten und um Wählerstimmen kämpfen. Als einzelnes Unternehmen kann man keinen Druck auf politische Entscheidungen ausüben. Wir schauen, dass wir uns zu den Themen äußern, die für uns relevant sind und bei denen wir Kompetenz im Haus haben und entsprechend inhaltlich glaubwürdig sind.

Welche Flughöhe müssen Themen haben, damit ihr CEO oder jemand aus dem Vorstand an die Öffentlichkeit geht?

Es muss einen direkten Bezug zu BASF geben und für die Unternehmensentwicklung relevant sein. Zur Flughöhe: Beim Vorstand geht es weniger darum, Fakten zu vermitteln. Das machen wir über die Pressestelle. Der Fokus liegt darauf, etwas einzuordnen, Zusammenhänge aufzuzeigen und eine Bewertung abzugeben.

Ein Interview, das sehr viel Aufmerksamkeit generiert hat, war das Ihres ehemaligen CEOs Martin Brudermüller in der „FAS“. Er wies im April 2022 in recht drastischen Worten auf die Folgen eines sofortigen Gasembargos aus Russland hin. Wieso haben Sie diesen Weg gewählt?

Das Interview entstand in einer Situation, in der ein abruptes Gasembargo vonseiten Deutschlands diskutiert wurde, was signifikante Folgen für den Standort Deutschland und damit auch für BASF gehabt hätte. Es ging dabei vor allem um eine angemessene Betrachtung der industriellen Wertschöpfungskette. Wenn der erste Schritt in der Produktion stillsteht, bewegt sich auch in den nachgelagerten Industrien nichts. Deshalb war es unser Anliegen, auf die Brisanz hinzuweisen.

Wie waren die Reaktionen?

Es gab sowohl positive als auch negative Reaktionen. Die Kritik war unter anderem, dass das Interview zu drastisch und zu einseitig aus Sicht von BASF gewesen sei. Allgemein wurde anerkannt, dass es ein wichtiger Debattenbeitrag war.

Haben Sie danach Veränderungen auf politischer Ebene wahrgenommen?

Wir hatten schon den Eindruck, dass das Interview die Debatte erweitert und eine neue Dynamik reingebracht hat. Auch andere Unternehmen fühlten sich möglicherweise dadurch motiviert, sich öffentlich zu äußern. Verändert ein einziges Interview politische Entwicklungen? Nein.

Wie leben in einer Zeit, in der häufig moralisch argumentiert wird. Wenn ein CEO eine profitorientierte Haltung einnimmt, die dazu führt, weiterhin Geschäfte mit Russland zu machen, muss er mit Gegenwind rechnen. Inwieweit haben Sie negative Reaktionen erwartet?

Es ging nicht um Profitorientierung für BASF, sondern vor allem um den Standort Deutschland. Wir hatten den Eindruck, dass der Öffentlichkeit die Konsequenzen eines Gasembargos kaum bewusst waren. In der Wirtschaftsberichterstattung wurde zwar häufig auf einzelne Branchen geschaut, aber über die Vernetzung zwischen den Industrien war wenig bekannt. Das hat sich inzwischen sicherlich geändert. Dass es auch negative Reaktionen geben würde, war uns bewusst. Wenn man als CEO eine Haltung einnimmt, gibt es immer Teile der interessierten Öffentlichkeit, die eine andere Meinung haben. Das ist auch in Ordnung. Genau so funktioniert eine Diskussion.

BASF war zum Zeitpunkt des russischen Angriffs auf die Ukraine der größte industrielle Gasverbraucher in Deutschland. Das Unternehmen will unter anderem bei seinen Hochtemperaturöfen Prozesse entwickeln, die mit erneuerbaren Energien laufen. © BASF

Wann ist der richtige Weg, als Unternehmen allein seinen Standpunkt in der Öffentlichkeit zu vertreten? Unter welchen Umständen macht es eher Sinn, über einen Branchenverband zu gehen?

Die Verbandsarbeit ist dann relevant, wenn man unternehmensübergreifende Anliegen vermitteln oder auf die Zusammenhänge in einer Branche hinweisen möchte. Ein Paradebespiel ist die „Antwerp Declaration for a European Industrial Deal“, die vom europäischen Chemieverband CEFIC getrieben wurde. Martin Brudermüller war damals noch der Präsident.

Da haben Unternehmen zehn Forderungen an die Europapolitik gestellt, wie der Green Deal zusätzlich von einem Industrial Deal flankiert werde könnte, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Europa zu stärken. Die Erklärung haben mittlerweile rund 1.200 Unternehmen, Organisationen und Verbände unterschrieben. Es gab ein großes Event, auf dem die Forderungen an den belgischen Ratspräsidenten De Croo und die EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen übergeben wurden. Die Übergabe hat medial eine große Wirkung entfaltet. Als BASF kommunizieren wir kontinuierlich zur Imagebildung und erläutern, was unsere Unternehmensmaßnahmen sind und was unsere Strategie ist. Da geht es vor allem darum, wie sich das Unternehmen entwickelt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb kürzlich, „der Zustand von Konzernen wie BASF ist auch ein Maß für den wirtschaftlichen Zustand eines Landes“. Ist dieser Satz richtig?

Wir sehen jedenfalls, dass die „Süddeutsche“ nicht das einzige Medium ist, das mit dieser Haltung und These an die Berichterstattung herangeht. Es ist zweischneidig: Natürlich ist es so, dass wir als großer global agierender Industriekonzern aus dem Dax von den Rahmenbedingungen und vielen politischen Entwicklungen stark betroffen sind. Von daher ist der Satz nicht komplett falsch. Das führt dann allerdings auch dazu, dass zum Teil eine sehr starke Zuspitzung in der Berichterstattung erfolgt. Medien spitzen teilweise so stark zu, dass Restrukturierungsmaßnahmen und Kostensparprogramme als Abwanderungsgedanken aus Deutschland interpretiert werden. Dabei investieren wir weiterhin jedes Jahr zwei Milliarden Euro in den Standort Ludwigshafen. Das wird leider oft weggelassen bei der Berichterstattung.

Kürzlich hat Gabor Steingart bei „Focus Online“ geschrieben, BASF kehre Deutschland still und leise den Rücken. Muss BASF manchmal dafür herhalten, um die These zu stützen, Deutschland befinde sich auf einem absteigenden Ast?

Es ist definitiv so, dass am Beispiel von BASF die Veränderungen und die Disruption in Deutschland erzählt werden. Ich kann durchaus nachvollziehen, wenn man das als Journalist an einem Unternehmen aufhängt. Was immer wieder zu kurz greift und auch falsch ist: BASF wird Deutschland nicht verlassen. Das ist nicht der Plan. Ludwigshafen ist das Herz des Unternehmens. Es ist der größte integrierte Standort und wird es auch noch lange bleiben. Es verunsichert natürlich die Mitarbeitenden, wenn sie extern lesen, BASF verlasse Deutschland oder 40.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr. Das stimmt einfach nicht. Wir ordnen das kontinuierlich ein. Was wir auch sehen: Dass es Gruppierungen auf Social Media gibt, die einzelne Unternehmen als Beleg anführen, um die Wirtschaftspolitik der Regierung insgesamt anzugreifen und zu zeigen, was aus ihrer Sicht schiefläuft. BASF ist dann häufig eines der Unternehmen, das genannt wird.

Sie sind ein B2B-Unternehmen. Ich bin noch in einer Zeit aufgewachsen, in der es Video- und Audiokassetten von BASF gab und eine direkte Verbindung zur Marke bestand. Wie wichtig ist die allgemeine Öffentlichkeit heute für BASF?

Die Zielgruppe allgemeine Öffentlichkeit ist wichtig für uns. Wir sind Teil der Gesellschaft und brauchen Vertrauen in unsere Arbeit, damit wir unsere „License to operate“ behalten und man uns zutraut, dass wir verantwortungsbewusst handeln. Wir sind eine sehr regulierte Industrie – zu Recht. Wir haben aber auch ein Interesse daran, dass unsere Perspektive in Bezug auf Regulierung weiterhin angehört wird. Wir haben von der Energietransformation und der Umstellung auf nachhaltige Produkte gesprochen. Wir möchten, dass unsere Kunden BASF als ein Verkaufsargument gegenüber ihren Endkunden nutzen können und gerne mit uns zusammenarbeiten.

Wir sind zudem ein großer Arbeitgeber. Für das Employer Branding und die Talent-Rekrutierung ist die Reputation sehr wichtig. Auch die Umfeldkommunikation ist entscheidend – besonders an großen Standorten wie Ludwigshafen. BASF liegt mitten in der Stadt. Wir haben deshalb Kontaktpunkte wie ein Besucherzentrum und Werksrundfahrten geschaffen, um zu zeigen, wie wir arbeiten.

Welches Image soll BASF haben?

Ich fange mal mit unserem Purpose-Statement an: „We create chemistry for a sustainable future”. Verbindungen schaffen und Nachhaltigkeit sind der Kern unserer Marke. Wir wollen zeigen, wie wir Chemie weiterentwickeln, um die nachhaltige Transformation unserer Kunden zu ermöglichen. Wir wollen das Unternehmen sein, das für die grüne Transformation der Chemiebranche steht.

Unternehmen beklagen häufig zu viel Regulierung. Sie sprachen es an. Welche Themen sind für Sie im politischen Bereich aktuell besonders wichtig?

An erster Stelle steht sicherlich die Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen einen Weg finden, dass Europa vor allem gegenüber Asien und den USA wettbewerbsfähig bleibt. Es gibt zudem global unterschiedliche Strategien, wie man die Net-Zero-Ambitionen erreichen möchte. Das Dritte ist der Bereich Energiepolitik. Wir benötigen in ausreichendem Maße Zugang zu erneuerbaren Energien. Viele Prozesse in der chemischen Industrie müssen und wollen wir elektrifizieren. Wir benötigen deshalb Grünstrom, der zu wettbewerbsfähigen Gesamtkosten an den Werken ankommt.

Einige der genannten Themen sind komplex und erklärungsbedürftig. Inwieweit gelingt es Medien, diese Komplexität abzubilden?

Die Aufmerksamkeit ist jedenfalls vorhanden. Wir haben keine Schwierigkeit, mit unseren Themen durchzudringen. Wie erwähnt erleben wir teilweise eine starke Zuspitzung; manchmal auf Kosten einer ausreichenden Einordnung in den Kontext. Insgesamt habe ich aber schon den Eindruck, dass die Relevanz erkannt wird und ausreichend Platz in der Berichterstattung bekommt. Da BASF ein Traditionsunternehmen ist, nehmen die Menschen auch daran Anteil, wie es dem Unternehmen und dem Standort geht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Politik. Das Heft können Sie hier bestellen.

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