Auf der Suche nach der Aufstiegsformel

Karriere

Der Weg in die Führungsetage der Kommunikation ist kein Zufall, sondern folgt relativ klaren Mustern. Die Affinität zu kommunikationsnahen Hobbys wie Lesen oder Schreiben zeigt sich häufig bereits in jungen Jahren. Auch die Entscheidung für einen Kommunikationsberuf treffen viele recht früh. Vorbilder und Netzwerke sind ebenfalls wichtig. Hilfreich ist ein BWL-Studium. Das sind einige Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Quadriga Hochschule und der GK Personalberatung, die von Mai bis August 2024 durchgeführt wurde.

Unter dem Titel „Die Aufstiegsformel“ untersuchten Prof. René Seidenglanz und Ronny Fechner von der Quadriga Hochschule sowie Kirsten Altenhoff und Christian Löcker, beide Managing Partner bei GK Personalberatung, die Lebensläufe und Karrieren der jeweils Hauptverantwortlichen für die Unternehmenskommunikation aus den 150 umsatzstärksten Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Neben einer quantitativen Analyse der Lebensläufe führten sie 30 qualitative Interviews durch.

Mehr als jeder Zweite mit BWL-Abschluss

Die Studie zeichnet ein recht präzises Bild davon, wer in großen Unternehmen die Kommunikationsverantwortung in den Händen hält. Demnach ist die Person bei Übernahme ihrer Top-Position im Schnitt 47 Jahre alt und hat etwa 20 Jahre Berufserfahrung – zwölf davon als Führungskraft. 46 Prozent Frauen und 54 Prozent Männer finden sich in den Top-Jobs wieder. 31 Prozent der Führungskräfte (41 Prozent der Männer) waren vorher im Journalismus tätig. 28 Prozent bringen Erfahrung aus Kommunikationsberatungen mit.

Kirsten Altenhoff, Managing Partner bei der GK Unternehmens- und Personalberatung, spricht am Rande des Kommunikationskongress 2024 mit KOM über Gemeinsamkeiten in den Lebensläufen der 150 Top-Kommunikatoren in Deutschland und Wege in Spitzenpositionen.

55 Prozent der 150 untersuchten Kommunikationsverantwortlichen haben Betriebswirtschaftslehre (BWL) studiert. Unter den Männern sind es sogar 67 Prozent. Das ist verglichen mit dem gesamten Berufsfeld ein ungewöhnlich hoher Wert. Die vom BdKom und der Quadriga Hochschule deutlich breiter angelegte Berufsfeldstudie kommt hier lediglich auf 14 Prozent der Kommunikator*innen, die BWL studiert haben. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass kommunikationswissenschaftliche Studiengänge noch nicht so weit verbreitet waren, als die Führungskräfte studiert haben. BWL wäre dann so etwas wie eine naheliegende Alternative gewesen.

Konzernerfahrung wichtiger als Branchenkenntnis

Wer heute zur Kommunikationselite gehört, hat vor Übernahme seiner Top-Position in der Regel bereits für ein börsennotiertes Unternehmen gearbeitet. Das gilt für 77 Prozent. Oft war bereits die erste Unternehmensstation ein Großunternehmen oder Konzern. Schlussfolgerung der Autoren: Der Schritt in ein Großunternehmen müsse früh erfolgen. Sonst würde der „Sprung“ nicht mehr stattfinden und die Chance, „entdeckt“ zu werden, deutlich sinken.

Nur 40 Prozent der Top-Kommunikator*innen haben bereits im Ausland gearbeitet. Bei den 40 Dax-Unternehmen liegt der Anteil mit 44 Prozent etwas höher als bei den übrigen Firmen. Ein Grund könnte sein, dass die Kommunikation eng an den Hauptsitz, den Vorstand sowie die Kultur des Unternehmens gebunden sei. Dennoch sei Erfahrung aus internationalen Strukturen und interkulturellem Kontext unerlässlich, schreiben die Autoren. Grundsätzlich dürfte die Bedeutung von Auslandserfahrung eher zu- als abnehmen in den kommenden Jahren.

Branchenwissen ist für einen Aufstieg dagegen weniger entscheidend. 61 Prozent sind ohne vorherige Branchenerfahrung in ihre Top-Position gewechselt. Die Studie zeigt auch, dass im Unterschied zu anderen Managementkarrieren Kommunikationskarrieren recht linear verlaufen. Es gibt also meist keine funktionalen Rotationen. 64 Prozent der Spitzenkräfte wurden von außerhalb rekrutiert. Interne Aufstiege sind deutlich seltener.

Vier Karrierepfade

Die Autoren fassen die untersuchten Lebensläufe in vier Cluster zusammen. Daraus ergeben sich vier mögliche Wege, über die Kommunikationsprofis in Führungsetagen aufgestiegen sind:

1. „The Classical Formula“
Der Wechsel von einer hohen Führungsposition im PR- und Kommunikationssektor wie die Gesamtbereichs- oder Teilbereichsleitung ist der häufigste Karriereweg (36 Prozent). Diese Gruppe ist überwiegend männlich (63 Prozent), hat im Schnitt fast 16 Jahre Führungserfahrung und besitzt oft keine journalistische Ausbildung.

2. „The Shortcut“
Mit 24 Prozent ist dieser Pfad der schnellste Aufstieg in die Kommunikationsspitze. Die überwiegend weiblichen Führungskräfte (63 Prozent) haben oft kommunikationswissenschaftliche Abschlüsse und Berufserfahrung in PR- oder Marketingagenturen. Auffällig sind das junge Alter von durchschnittlich 43 Jahren bei Übernahme der Top-Position und die geringe Führungserfahrung. Fast in jedem zweiten Fall wurde die Person intern befördert.

3. „The Editorial Track“
In dieses Cluster fallen etwa 23 Prozent der Lebensläufe. Meist handelt es sich um Männer (70 Prozent). Diese Gruppe startete häufig im Journalismus und bringt im Durchschnitt fast neun Jahre journalistische Erfahrung mit.

4. „The Persistent Way“
Diesen Karriereweg durchlaufen 17 Prozent der Führungskräfte. Die überwiegend weibliche Gruppe (64 Prozent Frauen) hat in der Regel im Ausland studiert – meist BWL. Die Personen bringen umfangreiche internationale Berufserfahrung sowie langjährige Führungserfahrung mit. Bei Übernahme ihrer Top-Kommunikationsposition sind die Manager*innen durchschnittlich 51 Jahre alt. Zuvor waren sie fast immer für ein börsennotiertes Unternehmen tätig. Auffällig ist, dass diese Gruppe keinerlei kommunikationsspezifische Weiterbildungen oder Zusatzqualifikationen vorzuweisen hat.

Soziale Faktoren

So unterschiedlich die Karrierewege sind, legen die Interviews doch nahe, dass bestimmte Persönlichkeitsstrukturen den Aufstieg befördern.

So beschreiben die Autoren die interviewten Führungskräfte als wissbegierige, resiliente und sehr leistungsbereite Personen, die Kommunikation im weitesten Sinn seit ihrer Kindheit schätzen. Das drückt sich unter anderem durch Hobbys wie Lesen und Schreiben aus.

Die meisten Befragten seien extrovertiert und offen für Veränderungen. Fast alle zeigten sich bezüglich ihrer Stärken und Schwächen überaus reflektiert und haben wenig Selbstzweifel. Eine große Rolle für den Karriereverlauf spielen zudem Mentoring anbietende Personen und Netzwerke.

Eine weitere Erkenntnis: Top-Kommunikator*innen haben einen recht normalen Schlafbedarf von sechs bis acht Stunden täglich.

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