Edeka-Kampagne: Nur gut gemeint

Haltungskommunikation

„Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl“, heißt es in der aktuellen großformatigen Printanzeige des Lebensmittelhändlers Edeka. Die Kampagne, die die Konzernzentrale zusammen mit der Werbeagentur Jung von Matt für Print und Social Media umgesetzt hat, bildet verschiedene Obst- und Gemüsesorten ab. Die Farbenvielfalt kennt nur eine Einschränkung: Es fehlen blaue Lebensmittel. Diese seien unverträglich, heißt es. Damit die Analogie nicht unverstanden bleibt, macht die Konzernzentrale auch gleich deutlich, was sie damit meint. „In Deutschland sind die Blauen schon heute die größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft.“ Gemeint ist die AfD. Genannt wird die Partei nicht.

Irritierend ist hier nicht nur, dass Obst- und Gemüsesorten mit politischer Symbolik aufgeladen werden. Auch der explizite Ausschluss der Farbe Blau fruchtet nicht ganz – um im Bild zu bleiben. Das große E im Edeka-Logo besteht aus blauer Schrift. Indirekt warnt Edeka also vor sich selbst.

Zum Abschluss folgt dann ein Aufruf, der einer Schlussfolgerung gleicht: „Lasst uns also zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September die Warnhinweise richtig lesen – und für ein verträgliches Miteinander sorgen. Denn: Wir lieben Vielfalt“– ein reichlich generisches Statement und ein Satz, dem die meisten Menschen wohl zustimmen würden.

Kampagnen für Vielfalt sind en vogue

Der Anlass für die Kampagne ist klar: Die AfD liegt kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen laut Umfragen bei etwa 30 Prozent. Wenn es so bleibt, wäre die Partei Wahlsieger in Thüringen und würde vermutlich auf dem zweiten Platz in Sachsen landen. Warnungen aus der Wirtschaft vor der AfD gibt es schon länger. Die Sorge, die AfD könne dem Standort schaden, weil sie der Europäischen Union und ausländischen Fachkräften grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, teilen einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge 77 Prozent der deutschen Unternehmen. 47 Prozent hatten sich bereits vor der Europawahl öffentlich gegen die Partei stark gemacht.

Haltungskommunikation ist angesagt. Auch über 80 Familienunternehmen haben sich mittlerweile im Rahmen der seit Mitte August laufenden Kampagne „Made in Germany, Made by Vielfalt“ für Diversität und demokratische Werte eingesetzt. Wenn auch nicht explizit gegen die AfD.

Doch je mehr mitmachen, desto eher besteht die Gefahr für „politisches Greenwashing“, wie es der Geschäftsführer von fischerAppelt Advisors, Birand Bingül, formulierte. Es entsteht Druck, sich bekennen zu müssen. Viele Unternehmen versuchen es mit allgemein gehaltenen Aussagen, um bloß nicht in die Gefahr zu geraten, sich zu kritisch gegenüber einer Partei zu äußern. Die Aussagen sind weder durchdacht noch konsistent. Das gilt auch für Edeka.

Vom Ende her denken

Denkt man die Aktion vom Ende her, stellt sich die Frage, bei wem die Botschaft eigentlich verfangen soll? Bei der Wählerschaft in den ostdeutschen Bundesländern, die sich gegen die AfD entscheiden soll? Wieso ist dann die Printanzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und in der „Zeit“ geschaltet worden und nicht in ostdeutschen Regionalzeitungen? Edeka wollte auf unsere Nachfrage diesbezüglich nicht antworten.

Werden sich unentschlossene Wähler aufgrund der Anzeige gegen die AfD entscheiden? Vermutlich nicht.

Für Edeka problematisch ist, dass zwei selbstständige Marktleiter bereits auf Distanz zur Zentrale gingen. Das überrascht nicht. Schließlich kommt der Ärger der Kunden im Laden an. In einem Facebook-Post schreibt die Marktleiterin von Edeka Bienek in Halberstadt: „Wir sind ein Supermarkt, den ich als selbstständiger Einzelhändler verantworte und wo jeder Mensch einkaufen kann! Weshalb sich die Edeka mit solchen Beiträgen zur Politik äußert, kann ich nicht nachvollziehen und lehne dies auch dementsprechend ab!“

Die Frage nach dem Ziel bleibt am Ende offen. Wollte die Konzernzentrale unentschlossene Wähler überzeugen, die AfD nicht zu wählen? Oder einfach im Gespräch bleiben und für sich Werbung machen? Auf unsere Anfrage schickte Edeka lediglich folgende allgemeine Antwort:

„Für den Edeka-Verbund sind Vielfalt, Toleranz und das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft elementare Werte, zu denen wir uns bekennen und die in unserem Selbstverständnis verankert sind.“

Etwas Konkretes gab es nicht.

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