Spitzensport und Street Culture

Adidas

Herr Runau, Adidas wurde am 18. August 75 Jahre alt. Wofür steht die Marke heute?

Runau: Adidas ist eine der bekanntesten Marken weltweit. Unser Markenkern ist Sport. Adidas steht aber auch für die Kultur, die aus dem Sport entstanden ist. Street Culture würde man im Englischen sagen. Unser Gründer Adi Dassler hatte immer einen Anspruch: Er wollte die Athletinnen und Athleten mit dem besten Produkt für ihren Sport ausrüsten. Diesen Anspruch haben wir bis heute. Wir arbeiten mit Sportlerinnen und Sportlern auf der ganzen Welt zusammen. Wir werden auch eng mit den großen Sportereignissen weltweit verbunden. Dadurch sind wir sehr sichtbar.

Sie waren zuletzt bei den Olympischen Spielen in Paris. Vorher fand die Fußball-EM statt. Die deutsche Nationalmannschaft wohnte fünf Wochen bei Ihnen auf dem Firmengelände. Es gibt neben der Marke auch das Unternehmen Adidas. Wie verbinden Sie das?

Das ist das Schöne an diesen Sportereignissen. Das sind hervorragende Kommunikationsplattformen, sowohl um das Unternehmen darzustellen als auch um unsere Marke und Produkte und die Markenbotschafter zu präsentieren. Große Sportjahre wie 2024 nutzen wir für die Unternehmens- und für die Markenkommunikation. Diese Einheit macht den besonderen Reiz aus.

Adidas macht wirtschaftlich eine schwierige Phase durch. Was sind für Sie aktuell die wichtigsten Themen im Bereich Corporate Communications?

Wir befinden uns in einem Turnaround-Prozess. Wir sind dabei, als Unternehmen wieder besser zu werden. Das Timing erweist sich dabei als ideal. Nach einem Übergangsjahr 2023 haben wir 2024 wieder ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr. Wir können die Marke Adidas bei den großen Sportereignissen der Weltöffentlichkeit präsentieren. Das i-Tüpfelchen ist, dass wir in diesem Jahr unser 75-jähriges Firmenjubiläum feiern. Da passen die Anlässe und die Situation des Unternehmens hervorragend zusammen, was wir für die interne und externe Kommunikation umfangreich nutzen.

Sie sprechen von einem Turnaround. Müssen Sie Ihre Kommunikation und Ihre Marketingaktivitäten aus Kostengründen zurückfahren, weil für großspurige Auftritte das Verständnis der Mitarbeiter fehlen würde?

Ein wesentliches Element des Unternehmenserfolgs resultiert aus der Attraktivität der Marke. Von daher ist es klar, dass wir in diese investieren. Unser Marketingetat liegt etwa bei zwölf Prozent des Umsatzes. Bei circa 22 Milliarden Euro Umsatz sind das knapp drei Milliarden Euro. Insbesondere wenn große Sportereignisse wie in diesem Jahr anstehen, investieren wir in die Marke, weil wir solche Events optimal für Marke und Unternehmen nutzen müssen. Sparen beim Markenauftritt war von daher nicht das Thema 2024. Ein solches Jahr belebt unser Geschäft.

Inwieweit wirken sich Fußballturniere und die Olympischen Spiele wirtschaftlich aus?

Kommerziell sind die Fußballereignisse bedeutender als die Olympischen Spiele, weil wir während einer EM und einer Copa América die Trikots unserer Nationalmannschaften und den EM-Spielball „Fußballliebe“ millionenfach verkaufen. Bei aller Euphorie um Olympia: Es kauft sich dann doch kaum jemand das Trikot des 100-Meter-Olympiasiegers.

Ein solches Event animiert dazu, selbst sportlich aktiv zu werden.

Das ist richtig. Erfolgreiche Sportereignisse rücken den Sport in den Mittelpunkt und motivieren die Menschen hoffentlich, selbst mehr Sport zu machen und Sportprodukte zu kaufen.

Aufnahme von drei Männern an einem Tisch in einem Restaurant. Stan Smith in Hemd und Sakko sitzt neben Stefan Edberg in Hemd und Anzug. Zwischen den beiden steht Jan Runau, komplett in Schwarz gekleidet. Er legt seine Arme um die Schultern der beiden ehemaligen Tennisprofis. Alle lächeln in die Kamera. Dazu die Bildunterschrift: Runau mit den ehemaligen Tennisspielern Stefan Edberg (r.) und Stan Smith, deren Outfits die Marke lange mitprägten. Den Schuh „Stan Smith“ gibt es weiterhin. © www.gianniskokkas.com

Runau mit den ehemaligen Tennisspielern Stefan Edberg (r.) und Stan Smith, deren Outfits die Marke lange mitprägten. Den Schuh „Stan Smith“ gibt es weiterhin. © www.gianniskokkas.com

Adidas rüstet den Fußball-Europameister Spanien und den aktuellen Weltmeister Argentinien aus. Auch der 100-Meter-Olympiasieger Noah Lyles läuft mit Adidas. Inwieweit ist es für die Marke wichtig, dass sie mit Erfolg verknüpft wird?

Bei uns steht wie schon bei Adi Dassler das Produkt im Vordergrund. Wir müssen Produkte auf den Markt bringen, die von den Konsumentinnen und Konsumenten angenommen werden – sowohl im Sport als auch im Lifestyle-Bereich. Das gelingt uns momentan sehr gut. Die beliebtesten Schuhe auf den Straßen weltweit sind aktuell Adidas-Modelle: Samba, Gazelle oder Handball Spezial – alles Produkte aus unserem Archiv, die in den Siebzigerjahren Sportschuhe waren. Dann geht es für uns darum, die Marke und das Produkt über Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter darzustellen. Die können aus dem Sport oder aus dem Bereich Kultur kommen.

Wer ist für Adidas aktuell der wichtigste Markenbotschafter? Lionel Messi?

Messi gehört sicher dazu, weil er über so lange Zeit unglaublich erfolgreich ist und auch noch zuletzt mit dem Gewinn seiner ersten Copa im Jahr 2021 und dem WM-Titel 2022 mit Argentinien erfolgreich war. 2024 hat er noch einmal die Copa gewonnen und mit seinem Wechsel in die Major League Soccer einen unheimlichen Hype in den USA ausgelöst. Das Trikot von Inter Miami gehört zu den bestverkauften Adidas-Trikots auf der Welt. Die Entwicklung, dass Sportler zu ihren eigenen Marken geworden sind, hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal beschleunigt. Es ist über die sozialen Medien viel einfacher als früher, als Sportlerin oder Sportler globale Aufmerksamkeit zu erreichen.

Haben die drei Streifen noch dieselbe Bedeutung wie vor 20 oder 30 Jahren?

Ja, das sieht man am Erfolg der klassischen Adidas-Schuhe – auch denen mit den drei Streifen. Wir sind allerdings fest davon überzeugt, dass sich ein Trend bei Schuhen – wie die drei Streifen – auch auf die Textilien überträgt.

Welche zusätzlichen Möglichkeiten bieten Erfolge wie ein EM-Titel für Ihre Kommunikation?

Sie ändern nichts an der Herangehensweise an Großereignisse. Wir treten in der Regel sowieso nicht nur mit einem Team oder einer Athletin oder einem Athleten an. Bei Olympia haben wir elf Teams ausgerüstet. Im Fußball haben wir zusätzlich viele Einzelspieler unter Vertrag. Wir haben beide Sportevents mit unserer Markenkampagne und unserem neuen Slogan „You Got This“ begleitet. Dazu gab es eine fußballspezifische Staffel, die zur Europameisterschaft und zur Copa América lanciert wurde – mit Stars wie Messi und Florian Wirtz. Dann gab es die dritte Welle zu den Olympischen Spielen und den Paralympics mit einigen unserer Athleten wie Noah Lyles. Neben den Werbekampagnen hatten wir Event-Aktionen, das „Home of Adidas Football“-Stadion zur EM am Reichstag, Public Viewing. Die Menschen kamen selbst mit unseren Produkten in Kontakt. Natürlich ist es schön, wenn man den Sieger stellt, weil der immer eine besondere Aufmerksamkeit erfährt.

Wie stellen Sie Ihr Team für solche Großereignisse auf? Bekommt dann jede Mannschaft einen Kommunikationsverantwortlichen an die Seite?

Nein. Wir arbeiten mit übergreifenden Projektteams, in denen alle Disziplinen vertreten sind. Da sind wir von der Kommunikation dabei. Für uns als Abteilung gibt es bei den Events vor allem zwei große Themen: die Unternehmenskommunikation und die interne Kommunikation. Wir haben Sportereignisse noch nie so intensiv für die weltweite interne Kommunikation genutzt wie in diesem Jahr.

Haben Sie dafür Beispiele?

Wir haben zum Beispiel den EM-Spielball „Fußballliebe“ unseren Mitarbeitenden zehn Minuten vor der Öffentlichkeit vorgestellt. Das haben wir noch nie gemacht. Bei den Olympischen Spielen in Paris haben wir alle 300 Mitarbeitenden in Frankreich eingeladen, zumindest ein Ereignis der Spiele zu besuchen. Auch darüber hinaus konnten Mitarbeitende aus der ganzen Welt bei internen Aktionen Reisen nach Paris oder zur EM in Deutschland gewinnen.

Die Adidas-Mitarbeiter haben hier in Herzogenaurach sehr viele Berührungspunkte mit der Marke. Sie nutzen auch Medien. Warum ist es wichtig, sie noch einmal gezielt anzusprechen?

Nicht alle Mitarbeitenden sind so nah dran am Sport, wie es beispielsweise ein Sportsponsoring-Manager ist oder wie es wir in der Kommunikation sein können. Wenn ich mir die Reaktionen anschaue, dann waren das für unsere Mitarbeitenden „Once in a lifetime“-Events, die sie natürlich in ihr privates und berufliches Umfeld weitertragen. Sie sind wichtige Multiplikatoren.

Ich hatte bei der EM das Gefühl, dass die roten Trikots Spaniens und Belgiens sehr schnell verschwitzt aussahen, was auch andere in Social Media gewundert hat. Spiegeln sich solche Produktthemen auch in Ihren Medienanfragen wider?

Das ist tatsächlich etwas, was an uns herangetragen wurde. Wir bereiten uns für so ein Turnier auf mögliche ­positive und negative Szenarien vor und können dann schnell reagieren. Bei der Europameisterschaft waren die verschwitzten Trikots letztlich das einzige negative Thema, das an uns herangetragen wurde.

Was sind andere Worst-Case-Szenarien, auf die Sie sich vorbereiten?

Die Sportereignisse in diesem Sommer waren weitgehend positiv besetzt. Wir hatten aber auch schon Veranstaltungen wie die Fußball-WM 2022 in Katar, die sehr kritisch gesehen wurden. Das betrifft uns als einen der Sponsoren dann auch.

Was könnte während eines Sportereignisses Negatives auftreten?

Es kann etwas mit einem Produkt passieren, mit einer Mannschaft oder einem Sportler. Nehmen wir den Fall, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft alle drei Vorrundenspiele verliert. Das wäre der Stimmung nicht zuträglich. Wir würden nicht so viele Trikots verkaufen. Bei uns kämen dann Fragen an, was wir mit den Trikots machen oder was das Ausscheiden wirtschaftlich und imagemäßig bedeutet. Wir hatten Glück, es ist genau in die andere Richtung gelaufen: Die Mannschaft hat die Menschen begeistert. Die Trikots haben es ebenfalls. Das pinke Trikot war das bestverkaufte Auswärtstrikot einer deutschen Nationalmannschaft überhaupt.


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Kürzlich brachten Sie den SL 72 als Retro-Version mit Bezug zu den Olympischen Spielen 1972 in München auf den Markt, als elf israelische Sportler von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Der Schuh wurde anfangs mit dem Model Bella Hadid beworben, die sich wiederholt israelfeindlich geäußert hat. Sie haben sich dafür entschuldigt und Hadid aus der Kampagne rausgenommen. Wie kam es zu diesem Fehler?

Da, wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Die Verbindung zu den Olympischen Spielen 1972 war natürlich unglücklich. Das hätte nicht passieren dürfen. Wir haben dann schnell reagiert, die Kampagne überarbeitet und uns entschuldigt.

Wie sehr schadet ein solcher Fehler einem Unternehmen wie Adidas? Mich hat das an die Anfangsphase der Coronapandemie erinnert, als Adidas die Miete für Geschäfte nicht mehr bezahlen wollte und viel Kritik erfuhr.

Jedes global bekannte Unternehmen gerät schneller in die Schlagzeilen als unbekannte Marken. Der Name Adidas sorgt für hohe Klickzahlen in die positive und in die negative Richtung. Die Welt ist heute deutlich polarisierter als noch vor zehn Jahren. Damit ist die Gefahr gegeben, dass man in geopolitische Diskussionen reingezogen wird. Auf der anderen Seite ist Sport ein positiv besetztes Thema. Wir ziehen auch viel Positives daraus, dass wir im Sport tätig sind und eine global bekannte Marke sind.

Die deutsche Nationalmannschaft residierte während der EM auf dem „Home Ground“ bei Ihnen in Herzogenaurach. Wie kam es dazu?

Die Idee kam erstmals auf vor der Europameisterschaft 2020, die dann wegen Corona 2021 stattfand. Wir hatten der Nationalmannschaft angeboten, zu uns zu kommen, weil wir alles haben: einen Fußballplatz mit Stadion, eines der größten Fitnessstudios in Europa, jede Menge Sportanlagen wie Tennisplätze und ein Schwimmbad. Wir haben dann vorgeschlagen, ein Quartier zu bauen, das genau auf die Bedürfnisse der Nationalmannschaft zugeschnitten war.

Die Präsenz der Nationalmannschaft in der Adidas-Heimat bot Gelegenheit für Autogrammstunden mit Spielern. © picture alliance/dpa

Die Präsenz der Nationalmannschaft in der Adidas-Heimat bot Gelegenheit für Autogrammstunden mit Spielern. © picture alliance/dpa

Inwieweit hat sich das für Sie ausgezahlt?

Unsere Partner hier auf dem Gelände zu haben, ist ein unbeschreibliches Gut. Vor allem wenn es um die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden geht. Wer kann schon von sich sagen, dass er beim Mittagessen an Ilkay Gündoğan vorbeispaziert oder dass Jonathan Tah mit dem Fahrrad hinter einem herfährt?

Was brachte es für die externe Kommunikation?

Im Gefolge der Nationalmannschaft kamen auch 120 Medienvertreterinnen und -vertreter zu uns. Der DFB hat jeden Tag seine Pressekonferenz hier veranstaltet. Herzogenaurach und die Adidas World of Sports waren dann immer wieder Thema, zumal die Fernsehsender täglich live zu uns geschaltet haben. Darüber hinaus gab es uns die Möglichkeit, direkt mit den Medien in Kontakt zu treten und ihnen Themen anzubieten wie einen Besuch in unserem Archiv und ein Gespräch mit unseren Designern oder unserem CEO. Die Nationalmannschaft war fünf Wochen hier in Herzogenaurach. In die Zeit haben wir auch unsere Feier zum 75-jährigen Firmenjubiläum gelegt. Als Stargäste standen dort Thomas Müller und Manuel Neuer auf der Bühne – vor etwa 20.000 Adidas-Mitarbeitenden und deren Familien.

Ab 2027 rüstet Adidas nicht mehr die deutschen Fußballnationalmannschaften aus. Das macht dann Nike. Anfang 2024, als die Nationalelf nicht gut dastand, fand ich es nachvollziehbar, dass Adidas nicht seine finanzielle Schmerzgrenze überschreiten wollte, um den Vertrag zu behalten. Nach der begeisternden EM würde ich das anders bewerten.

Sponsoring-Verträge sind immer eine Investition in die Zukunft. Ich kann eine junge Athletin oder einen jungen Athleten unter Vertrag nehmen, weil ich glaube, der Sportler wird mal die Nummer eins in seinem Sport. Eine Garantie hat man nie. Nimmt man jemanden unter Vertrag, der heute die Nummer eins ist, hat man auch keine Garantie, dass das so bleibt. Das Potenzial in der Zukunft gilt es immer wieder neu zu bewerten. Beim DFB war es dann so, dass wir uns dafür entschieden haben, die Summe, die wir übrigens auch nur aus den Medien kennen, nicht zahlen zu wollen. Wir haben den DFB aber noch für zwei weitere große Turniere: die Frauen-EM 2025 und die Männer-WM in Nordamerika und Mexiko 2026. Da werden wir unser Bestes geben, um die Partnerschaft mit dem DFB erfolgreich zu Ende zu bringen.

Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Interviews, das im gedruckten Heft erschienen ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Brands. Das Heft können Sie hier bestellen.

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